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The Artist

Dezember 8, 2013

Mit Stummfilmen habe ich wenig Erfahrung, ich erinnere mich an Dick & Doof oder Buster Keaton, deren Filme in meiner Kindheit ab und an liefen. Metropolis, Panzerkreuzer Potemkin und einige Chaplin-Filme fallen mir noch ein, die ich später gesehen habe – große Filmkunst, keine Frage, aber dass ich sie mir ein zweites Mal angesehen hätte, kann ich nicht behaupten. Eher zögerlich fand daher The Artist seinen Weg in meinen Player. Und ein Weilchen habe ich auch gebraucht, mich auf ihn einzulassen, den Impuls zu unterdrücken, nebenher irgendwas anderes zu machen. Das geht gar nicht, denn bei einem Stummfilm muss man natürlich immer aufmerksam hinschauen. Und bei The Artist lohnt sich das auch jede Minute.

Der Film wurde als Verbeugung vor den großen Filmen der Stummfilmära bezeichnet, als Hommage, wie man so sagt. Es wimmelt tatsächlich von Anspielungen, von denen man einige auch dann erkennt, wenn man nur rudimentär Stummfilme oder Szenen aus Stummfilmen gesehen hat. Gezeigt wird das Schicksal eines Stummfilmstars, der im Grunde ein eitler Egoist ist, sich aber für einen großen Künstler hält. Als der Tonfilm zum Durchbruch ansetzt, verweigert sich George Valentin dem neuen Medium, auf das er eher verächtlich herabblickt. Er hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Eine junge Schauspielerin, die er anfangs fördert, steigt dagegen rasch zum Star auf, als die Massen sie in flotten Komödien reden und lachen hören. Valentin stemmt sich mit einem selbst finanzierten Filmprojekt gegen das Neue – und scheitert, weil das Neue eigentlich immer faszinierender ist als das Alte, das verdrängt und ersetzt wird nicht nur in einer Welt, die marktwirtschaftlichen Regeln folgt. Die Filmindustrie jedenfalls schielt immer zuerst aufs Massenpublikum, um Geld zu verdienen. Diese Geschichte der Hollywood-Studios zeigt The Artist ebenso klar wie das Schicksal der stummen Helden, die aus welchen Gründen auch immer den Übergang zum Ton nicht geschafft haben. Beispiele dafür gibt es tatsächlich, etwa Douglas Fairbanks sen., der möglicherweise als Vorbild für Valentin gedient haben könnte. Beeindruckt hat mich, wie die Hauptdarsteller (Jean Dujardin, Bérénice Bejo) und einige viel prominentere Nebendarsteller (John Goodman, James Cromwell) wie Stummfilmschauspieler gespielt haben, also mit der typisch übertriebenen Mimik und Gestik, ohne diese Form der Schauspielkunst zu veralbern. Es wirkt natürlich, echt und irgendwie anrührend. Wobei der kleine Kläffer fast die beste Rolle spielt – eine hübsche Anspielung auf Mr. Asta aus Der dünne Mann. Die Geschichte mag simpel sein, manchmal auch recht plakativ, aber mir scheint, bei aller eingeschränkten Kenntnis dieser Filme, dass das genretypisch ist, also sehr gut passt. Eine der lustigsten Szenen ist übrigens die, in der Valentin träumt, der Ton habe ihn ereilt. Eine geniale Idee des Drehbuchautors und Regisseurs Michel Hazanavicius.

The Artist hat fünf Oscars abgeräumt, u.a. die für den besten Film, die beste Regie und den besten Hauptdarsteller. Außerdem war er an der Kinokasse ausgesprochen erfolgreich, weil er fast das Fünffache seiner Produktionskosten eingespielt hat. Ich finde, die Oscars gehen in Ordnung – und dass solche Filme auch noch Geld bringen, ist irgendwie ermutigend.

From → Filme

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