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Die drei Musketiere

September 9, 2011

Die neue Verfilmung bot mir wieder einmal die offenbar immer öfter nötige Gelegenheit, ein Buch zu lesen. So habe ich mir also Die drei Musketiere von Alexandre Dumas geschnappt und den kleinen Wälzer einfach mal gelesen, nachdem ich schon unzählige Verfilmungen gesehen habe. Letzteres war denn auch ein kleines Problem bei der Lektüre, denn ständig geisterten auf allen möglichen Seiten die entsprechenden Szenen aus den Filmen in meinem Kopf herum. Es spricht aus meiner Sicht für Richard Lesters Film von 1973, dass vor allem seine Figuren unter meinen Haaren fochten und flotte Sprüche klopften. Aber dazu später. Das Buch jedenfalls hat mich wohl auch deshalb nicht umgehauen, weil ich halt alles schon kannte. Es ist eine der größten Abenteuergeschichten der Literatur, eine flotte Story, klar, aber eine teilweise etwas langatmige und detailverliebte Erzählweise (nein, Miss Austen wäre not amused gewesen, jedenfalls nicht von diesem Stil) – und auch sonst hatte ich nicht den Eindruck, großartige Literatur in den Händen zu halten. Aber das ist sicher despektierlich angesichts des Erfolgs dieses Buches, das es etwa 170 Jahre später immer noch ins Kino schafft.

Und 2011 – das heißt natürlich 3D. Der Regisseur nutzt die modernste Technik, verzichtet zugleich aber nicht auf ziemlich bekannte und gute Schauspieler. Wen haben wir denn da: Orlando Bloom, Christoph Waltz, Matthew Macfadyen, Ray Stevenson, Luke Evans, Milla Jovovich und Mads Mikkelsen. Dafür wurde beim Hauptdarsteller gespart: Logan Lerman. Trotzdem sollte es für einen guten Film reichen. Tut es nicht.

Der Film ist ein Desaster. Fangen wir bei der Technik an: Viele 3D-Filme habe ich noch nicht gesehen, aber bei diesem war es das erste Mal, dass mich die 3D-Technik massiv gestört hat. Es passte einfach nicht. Und es war schlecht gemacht. Immer wieder lenkten mich plump auf 3D getrimmte Szenen von der Handlung ab. Was allerdings kein großer Verlust war. Ja, man erkennt die Romanvorlage natürlich noch. Es muss auch nicht sein, dass ein Film den Roman einfach nur nacherzählt (was, gut gemacht, allerdings schon ziemlich gut ist!). Deshalb könnte man auch darüber hinwegsehen, dass der Herzog von Buckingham jetzt ein oberfieser Finsterling ist (statt wie im Roman ein guter Bursche auf der falschen Seite), nur: das gibt der Geschichte einen ganz anderen Touch, der leider alles nur noch schlimmer macht. Viele gute Ideen des Romans funktionieren einfach nicht mehr, wenn Buckingham böse ist. Dass die Musketiere in der Eingangsszene im Stile von James Bond als Meisterspione verkauft werden, die im Verein mit Mylady auf Diebestour gehen, finde ich dagegen eher harmlos. Die melodramatische Konstruktion des Romans, in dem Athos einst der Ehemann der schönen Bösen war, der diese sogar eigenhändig gehenkt hat, muss ja nicht jedem zusagen (auch Miss Austen, um diesen Maßstab des literarisch Zulässigen mal wieder zu missbrauchen, hätte daran keine Freude gehabt). Und die Luftschiffe – na gut, ein bisschen Spaß wollte der Regisseur wohl haben. Leider  hat er dann gleich noch eins und und dann noch viele draufgesetzt, so dass es am Ende nur noch albern war. Überhaupt: albern. Im Grunde ist der Film ein dümmlicher Teenie-Film für die Twilight-Generation. Außerdem gibt er sich noch alle Mühe, der dämlichste Klamaukfilm mit Starbesetzung seit Jahrzehnten (oder zumindest seit vielen Jahren) zu sein. Etwa alle fünf Minuten habe ich stumm den Kopf geschüttelt, aber wenn der König und seine Königin zu sehen waren, habe ich innerlich geweint (wer nur hat dieses Mädchen, dessen Namen ich nicht wissen will, als Anna von Österreich besetzt, die damals als eine der schönsten Frauen Europas galt?). Bei d´Artagnan und seiner Liebsten war es eigentlich noch schlimmer: Zwei Kinder haben sich lieb – meinetwegen hätten die beiden auch Ferien auf Saltkrokan machen können, da hätten sie besser hingepasst.

Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: die Kampfszenen. Komplett bescheuert. Im Roman gelten die drei bis vier Musketieren als Helden, weil sie es mit sechs Gegnern aufnehmen – in diesem Film müssen es natürlich 40 oder 100 Mr. Smiths sein, so genau konnte ich das nicht zählen.  Das bringt mich auf noch einen Punkt: wie viele Ideen hat dieser Regisseur eigentlich geklaut? Aufgefallen sind mir Matrix, Mission Impossible, Das fünfte Element, Master and Commander und der Sternwanderer, aber es dürften noch ein paar mehr gewesen sein. Ein schlimmer Film.

Vor lauter Grauen habe ich mir heute noch mal die 73er Fassung angesehen. Und dieser Film ist immer noch großartig! Ja, er hat auch ganz schön viele klamaukige Szenen, aber der Film ist von vorneherein so angelegt, er ist konsistent! Vor allem aber: die Witze sind größtenteils wirklich witzig! Finde ich jedenfalls. Hätte ich noch ein oder zwei Gläser Wein getrunken, wäre ich vermutlich vom Sessel gerutscht… Wunderbar ironisch wird das ganze Heldeneposkrams hops genommen, die Kampfszenen sind artistisch übertourt, aber nicht völlig irreal, zugleich besticht der Film mit liebevollen Details – und die Geschichte stimmt! Und die Schauspieler sind um Längen besser als die Kollegen, die sich fast 40 Jahre später hölzern an dem Stoff abmühen.

Fazit: Den Film von 1973 gucken, die neue Verfilmung auf jeden Fall vermeiden – stattdessen das Geld für das Ticket für die nette Aufbau-Ausgabe des Romans investieren.

Nachtrag: Zwei Jahre später habe ich mir den Film noch einmal angesehen, diesmal in 2D. Er ist immer noch schwach. Aber er gewinnt ohne die aufgepfropften 3D-Effekte. Mit viel gutem Willen kann man ihn albern finden, die Kostüme loben, manche Szenen optisch unterhaltsam finden. Ein Abenteuerfilm für die Twilight-Generation vielleicht. Aber es bleibt schwer zu fassen, dass der Film so mau inszeniert ist, dass diese Garde guter Schauspieler so schlecht eingesetzt wird. Es wirkt, als hätten sie alle ihr Handwerk zweitweise verlernt.

From → Bücher, Filme

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